Forderungspapier zur UN-Steuerkonvention. Deutschland muss sich für faire internationale Steuerregeln für multinationale Konzerne und große Vermögen einsetzen
Das derzeitige internationale Steuersystem ermöglicht es großen Unternehmen und sehr reichen Individuen, Steuern zum großen Teil zu vermeiden oder zu hinterziehen. Gelder, die eigentlich gebraucht würden, um Gemeinschaftsaufgaben zu finanzieren. Das ist ein Problem für Deutschland und Europa – und noch stärker für Länder des Globalen Südens.
Unsere Forderungen im Kurzüberblick:
- Deutschland soll sich an den Verhandlungen zu einer UN-Steuerkonvention aktiv und konstruktiv beteiligen und sich für ein umfassendes, verbindliches Rahmenwerk und einen offenen Prozess einsetzen.
- Große multinationale Unternehmen, inklusive der großen Digitalkonzerne, sollten mindestens genauso viele Steuern zahlen wie ihre kleineren, nationalen Konkurrenten, und zwar dort wo sie aktiv sind.
- Überschussgewinne sollten mit einem progressiven Steuersatz abgeschöpft werden.
- Es braucht ein globales Abkommen, das dafür sorgt, dass Milliardär:innen mindestens 2% Steuern auf ihre Vermögen zahlen und das Steuerflucht effektiv bekämpft.
- Um effektiv gegen komplexe Geldwäsche vorzugehen, braucht es eine Ermittlungseinheit für Finanzkriminalität in Deutschland sowie ein umfassendes europäisch vernetztes Transparenzregister.
Die Bilanz für die Umsetzung der Agenda 2030 ist katastrophal: Nur 18% der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) können nach derzeitigem Stand bis 2030 erreicht werden. Neben unzureichendem politischen Willen vieler Regierungen fehlen in vielen Ländern die finanziellen Ressourcen für eine effektive Umsetzung. Dazu tragen in erheblichem Maß die Schuldenkrise und eine ungerechte internationale Steuerpolitik bei.
Für Staaten sind Steuervermeidung und Gewinnverschiebung von Unternehmen genauso wie Steuerhinterziehung und grenzüberschreitende illegale Finanzströme einkommensmindernd. Dadurch fehlen wichtige Mittel für öffentliche Investitionen. Mangelnde finanzielle Transparenz und Rechenschaftspflicht sowie die Gewährung großzügiger Steuererleichterungen sind ein wichtiger Teil des Problems. Insbesondere in Ländern des Globalen Südens gehen dadurch beträchtliche Mittel verloren, die zur Erreichung der SDGs eingesetzt werden könnten. Schätzungen zufolge verlieren Staaten in Afrika jährlich allein durch Kapitalflucht fast 90 Milliarden US-Dollar. Das ist fast die Hälfte der Mittel, die für die Erreichung der SDGs benötigt werden.
Eine gerechte internationale Steuerpolitik ist daher eine wichtige Stellschraube, um die SDGs noch erreichen zu können – in Deutschland und weltweit.
In der Agenda 2030 wird Steuergerechtigkeit an mehreren Stellen explizit als Ziel genannt: Alle Länder sollen in die Lage versetzt werden, über Steuern eigene Einnahmen zu generieren und damit die grundlegenden öffentlichen Aufgaben zu finanzieren (17.1). Auch sollen Ungleichheiten innerhalb und zwischen Staaten verringert und dafür der Ausgleich über die Fiskalpolitik, also Steuereinnahmen und Staatsausgaben, gestärkt werden (10.4). Die effektive Bekämpfung illegaler Finanzströme wird ebenfalls in der Agenda gefordert (16.4). Trotz dieser 2015 gesetzten Ziele ist bislang nicht genug passiert.
Warum ist das Thema Steuergerechtigkeit in und für Deutschland wichtig?
Deutschland ist ein attraktives Ziel für schmutziges Geld aus der ganzen Welt und liegt auf Platz 7 im globalen Schattenfinanzindex (Financial Secrecy Index). Geldwäsche schwächt unsere Wirtschaft und Politik und hat gleichzeitig große Auswirkungen auf Länder des Globalen Südens. Illegale Finanzströme untergraben staatliche Bemühungen Mittel für Investitionen in Sozialsysteme, Gesundheit, Bildung und andere öffentliche Infrastruktur zu mobilisieren, fördern Korruption und organisierte Kriminalität und gefährden dadurch Stabilität und Legitimität. Deutschland muss seine Finanzkriminalitätsbekämpfung deutlich verbessern, um illegale Finanzströme zu unterbinden und damit zu verhindern, dass in anderen Ländern illegal erwirtschaftete Gelder in Deutschland gewaschen und angelegt werden.
Unter dem Druck der Globalisierung und der Drohung von Steuerflucht hat sich der Steuersatz der Superreichen in Deutschland in den letzten 30 Jahren etwa halbiert. Ein typischer Multimillionär zahlt hierzulande mit 24 % (inkl. Sozialabgaben und Unternehmenssteuern) nur die Hälfte des Reichensteuersatzes von 47,5 % (inkl. Soli). Denn Superreiche leben vor allem von Kapitaleinkünften, für die zahlreiche Privilegien geschaffen wurden. Das ist nicht nur ungerecht angesichts der höheren Abgaben von Normalverdienenden, sondern diese Steuerprivilegien führen auch dazu, dass dem Staat einer Schätzung zufolge jährlich 75 Milliarden Euro fehlen, die für die sozialökologische Transformation gebraucht würden.
Deutschland profitiert deswegen ebenso wie Länder des Globalen Südens von globalen Abkommen, die illegitime Finanzflüsse bekämpfen und eine gerechtere Besteuerung großer Konzerne und Vermögen ermöglichen. Eine UN-Steuerkonvention ist der lange überfällige nächste Schritt in diese Richtung. Wenn Deutschland eine Vorreiterrolle im Bereich der Nachhaltigkeitspolitik einnehmen möchte, so muss es diese aktiv vorantreiben.
WAS WIR VON DER BUNDESREGIERUNG FORDERN:
Aktiver Einsatz für eine umfassende UN-Steuerkonvention
Im November 2023 wurde in der UN-Generalversammlung über die Erarbeitung einer Konvention zur internationalen Steuerkooperation abgestimmt. 128 Länder stimmten dafür und 48 dagegen (darunter Deutschland sowie zahlreiche EU/OECD-Staaten). Die ablehnenden Staaten machen jedoch nur 15% der Weltbevölkerung aus.
- Um eine demokratische, transparente und faire internationale Steuergovernance mit den Vereinten Nationen als zentralem Gremium zu schaffen, muss Deutschland die Verhandlungen zu einer UN-Steuerkonvention aktiv und konstruktiv vorantreiben und die Teilnahme insbesondere von Niedrigeinkommensländern (ggf. finanziell) unterstützen.
- Deutschland soll sich für die UN-Steuerkonvention als umfassendes und verbindliches Rahmenwerk für die internationale Besteuerung einsetzen, das auch bestehende Bemühungen beim Kampf gegen illegitime Finanzflüsse, beim Informationsaustausch und bei der Besteuerung multinationaler Konzerne konsolidiert und weiterentwickelt.
- In den Verhandlungen soll sich Deutschland für offene und transparente Prozesse einsetzen, in denen Zivilgesellschaft Möglichkeiten der Mitverhandlung bekommt.
Globale Unternehmensbesteuerung
Internationale Konzerne umgehen jährlich Steuerzahlungen in Höhe von ca. 311 Milliarden US-Dollar, indem sie Gewinne in Niedrigsteuerländer verlagern und Lücken sowie Unstimmigkeiten zwischen Steuersystemen ausnutzen. Das betrifft Länder im Globalen Süden unverhältnismäßig stärker, da sie abhängiger von Unternehmensbesteuerung sind.
Das bisherige System erlaubt es gerade den größten und profitabelsten multinationalen Konzernen einen großen Teil ihrer Gewinne in Steueroasen zu verschieben und dort Steuern zu vermeiden, wo sich ihre Kund:innen, ihre Mitarbeiter:innen und ihre Produktion befinden.
- Besteuerungsrechte müssen fairer verteilt und in Richtung einer Gesamtkonzernsteuer weiterentwickelt werden. Die aktuellen Reformbemühungen der OECD beinhalten bereits eine Umverteilung der Besteuerungsrechte in diesem Sinne (sogenannte Säule 1). Die bisherigen Vorschläge der OECD gehen aber nicht weit genug und sorgen für unnötige Komplexität.
- Der Steuersatz für die globale Mindeststeuer der OECD (sogenannte Säule 2) sollte auf 25% erhöht werden, um Gewinnverschiebung effektiv zu bekämpfen und für einen fairen Wettbewerb zur sorgen.
- Überschussgewinne, also Renditen die z.B. wegen Marktmacht langfristig über den normalen Renditen der Wettbewerber liegen, sollten zusätzlich zur normalen Unternehmensbesteuerung mit einem progressiven Steuersatz abgeschöpft werden.
Angemessene und faire globale Vermögensbesteuerung
Milliardär:innen weltweit haben laut Berechnung des EU Tax Observatory effektive Steuersätze in Höhe von 0 bis 0,5% ihres Vermögens. Grund dafür sind vielfältige Steuerprivilegien und Steuertricks, mit denen sie die Einkommenssteuer umgehen.
Es braucht ein globales Abkommen, das dafür sorgt, dass Milliardär:innen mindestens 2% Steuern auf ihre Vermögen zahlen und Steuerflucht effektiv bekämpft. Deutschland sollte sich dazu der Initiative von Brasilien, Frankreich und Spanien anschließen.
Effektivere Finanzkriminalitätsbekämpfung in Deutschland
Dem globalen Schattenfinanzsystem muss durch bessere Regulierung entgegengewirkt werden. Deutschland sollte bessere Strukturen in der Finanzkriminalitätsbekämpfung schaffen, um zu verhindern, dass illegale Geldflüsse hier gewaschen oder angelegt werden. Im Sinne internationaler Solidarität soll die Bundesregierung andere Länder unterstützen, illegale Geldflüsse aufzuspüren und dorthin zurück überweisen, wo das Geld erwirtschaftet wurde.
- Der aktuelle Gesetzentwurf zur Bekämpfung von Finanzkriminalität und Vermögensverschleierung, insbesondere mit den zusätzlichen Ermittlungskapazitäten für komplexe Geldwäschefälle, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung. Darüber hinaus sollte die Einziehung von illegalen Vermögen noch weiter vereinfacht werden und die aktive Kontrolle von verdächtigen Geldströmen gestärkt werden.
- Die Bundesregierung sollte die faktischen und rechtlichen Lücken im deutschen Transparenzregister beseitigen und gemeinsam mit den europäischen Partnern große Vermögenswerte in einem umfassenden, europäisch vernetzten Register erfassen.
Herausgeber:
Arbeitsgemeinschaft der Eine-Welt-Landesnetzwerke in Deutschland e.V., Forum Umwelt und Entwicklung, Global Call to Action Against Poverty, Netzwerk Steuergerechtigkeit
Kontakt: :?7@o7@CF>F6]56
Stand: Juni 2024