Bildung für Nachhaltige Entwicklung gewinnt – auch in der Erwachsenenbildung – an Bedeutung. Spätestens seitdem die Vereinten Nationen die Agenda 2030 verabschiedet haben, ist klar: Alle müssen einen Beitrag zur Erreichung der 17 Ziele nachhaltiger Entwicklung (SDG) leisten. Alle, das sind der sogenannte Globalen Norden und der Globale Süden, alle Länder der Welt, Politik und Wirtschaft, alle Menschen – und eben auch Institutionen.
Für jede/n Einzelne/n gibt es zahlreiche Bildungsangebote wie Workshops, Exkursionen, Bildungsurlaube etc., in denen vermittelt wird, wie nachhaltiger gelebt und/oder die Politik zum nachhaltigen Handeln aufgefordert werden kann. Wie aber ganze Bildungsinstitutionen ihre Personal- und Entscheidungsstruktur, ihre Beschaffungspraxis, ihre Arbeitsweise etc. an Kriterien der Nachhaltigkeit ausrichten können, wird bisher weniger thematisiert.
Potenziale des Whole Institution Approachs
Dabei lohnt es sich, sich genauer mit dem Whole Institution Approach (WIA) zu beschäftigen. Denn gerade (Bildungs-)Institutionen spielen eine zentrale Rolle bei der Entwicklung einer nachhaltigen Gesellschaft. Im UNESCO Weltaktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung heißt es, „Lernorte entfalten ihre volle Innovationskraftkraft, wenn sie ganzheitlich arbeiten – d.h. Nachhaltigkeit rundum in den Blick nehmen.“ (bne-portal.de)
Indem Institutionen ihr Handeln in allen Bereichen ökologisch, wirtschaftlich, sozial und politisch gerecht gestalten, entfaltet sich ein besonderes Potenzial. Sie werden selbst zu Akteur/innen des gesellschaftlichen Wandels und tragen entscheidend zum Ausbau nachhaltiger (Wirtschafts-)Strukturen bei. Von ihren Mitarbeitenden und den Teilnehmenden werden nachhaltige Institutionen als authentisch und positives Vorbild wahrgenommen. Gleichzeitig eröffnen sie einen Erprobungsraum für nachhaltiges Arbeiten. Transparenz über das institutionelle Handeln, Partizipation und Handlungsorientierung spielen hier zusammen, wirken motivierend und inspirierend. Dies erhöht die Überzeugungskraft für alle Beteiligten – für die Adressat/innen von Bildungsangeboten, für Mitarbeitende, Geschäftsführung, Kooperationspartner/innen – nachhaltig zu handeln.
Zur Umsetzung des Whole Institution Approachs
Betrachten wir den Arbeitsalltag von Institutionen, können wir sehen, dass hier und dort bereits nachhaltig gehandelt wird, z.B. durch die Verwendung von Recycling-Papier oder durch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für den Arbeitsweg oder Dienstreisen. Eine systematische Erweiterung des WIA auf alle Arbeitsbereiche findet jedoch bisher nur in wenigen Organisationen statt. Allen, die das anstreben, gibt die nachfolgende Tabelle einen Überblick über Bereiche einer nachhaltigen Institutionsentwicklung.
Bereich einer Institution | Anlass | Nachhaltige Lösung |
Beschaffung | Büromaterial IT-Technik Mobiliar Catering: Veranstaltungen, Sitzungen & Büroverpflegung | Reduktion des Materialverbrauch Wiederverwendung von Material, Bestellungen bei nachhaltigen und sozialverantwortlichen Anbietern fair, regional, saisonal, ökologisch food sharing/“Gerettetes Essen“ Unterstützung von sozialen Projekten |
Abfall | Reduse – Reduktion Reuse – Wiederverwendung Recycle – Recycling | |
Vergabe von Aufträgen | Lektorat Grafik Druckprodukte Tagungsstätte Gebäude | Unterstützung von Anbieter*innen, die ihre Arbeit an Nachhaltigkeitskriterien ausrichten Reduktion der Druckexemplare Zertifiziertes Papier, Umweltfarben etc. Garten- und Grünflächennutzung |
Finanzen | Geschäftskonten Spenden | Nachhaltige, gemeinwohlorientierte Banken Unterstützung nachhaltiger Projekte/Organisationen |
Gebäude | Büroräume Veranstaltungsorte Heizung und Strom Inneneinrichtung Wasser und Abwasser Gärten und Grünflächen Flächennutzung Barrierefreiheit | Ökologische Bauweise und Sanierung Reduktion des Verbrauchs von Ressourcen Nutzung regenerativer Energien Gemeinschaftliche Nutzung von Räumen Radabstellflächen Barrierefreier Zugang zum Gebäude und/oder proaktives Unterstützungsangebot für Menschen mit Behinderung |
Personal | Auswahl Weiterbildung Position und Vergütung etc. | Diversitätsorientierte Stellenausschreibung Familienfreundlichkeit Weiterbildungsangebote mit Fokus auf nachhaltige Entwicklung Partizipation in Entscheidungsprozessen |
Mobilität | Arbeitswege Dienstfahrten Transport | Nutzung von (Dienst-)Fahrrädern ÖPNV Lastenfahrräder für Transport Vermeidung von Flügen (< 1.000 km) Effektivität bei Flugreisen (z.B. Kombination von Süd-Partner*innenbesuchen zur Vermeidung mehrerer Einzelflüge) Kompensation von „unvermeidbaren“ Flugreisen |
Organisationskultur | Zusammenarbeit im Team und im Netzwerk Kooperationen (internationale) Partnerschaften Verständigung über Werte gemeinsame Werte schaffen | Partizipativ ressourcenorientiert und wertschätzend bedürfnisorientiert, achtsam gemeinsame Umsetzung Süd-Nord-(Bildungs-)Partnerschaften Interdisziplinarität Machtkritische, diskriminierungssensible Ansätze |
Entscheidungsstruktur | Akzeptanz für Entscheidungen schaffen | Transparenz Entscheidungen nachvollziehbar machen Mitarbeiter*innen in den Entscheidungsprozess einbeziehen/Partizipation (Basis-)Demokratische Entscheidungsfindung |
Bildungsangebote | Inhalte Methodik/Didaktik Projekte Programme | Nachhaltigkeitsthemen Transformative Bildung Ganzheitliche Methoden (Herz, Kopf, Hand) Diskriminierungs-/Rassismussensible Methoden Süd-Nord-Bildungspartnerschaften Inklusive Methoden Partizipation Interaktion |
Kommunikation | Website Druckprodukte Social Media Face to face | Nachhaltigkeit zum Inhalt machen Diskriminierungssensible Bildauswahl und -gestaltung Diskriminierungssensible Sprache Mehrsprachigkeit leichte Sprache konsequentes Gendern Wer spricht? Für wen? Wer hat welchen Redebeitrag? |
Damit der WIA erfolgreich umgesetzt werden kann, sollte sich eine Institution bewusst für diesen Weiterentwicklungsprozess entscheiden und mit der Entwicklung eines ersten Teilbereichs beginnen. Es ist empfehlenswert, mit allen Mitarbeitenden einer Institution gemeinsam die Arbeitsbereiche zu betrachten, um zu prüfen, an welchen Stellen sich bereits an Kriterien der Nachhaltigkeit ausgerichtet wird und wo noch Potenzial besteht. Wenn Mitarbeitende an Entwicklungsprozessen beteiligt werden und überzeugt sind, von dem was sie tun, tragen sie stärker zur Erreichung der gesteckten Ziele bei. Ebenfalls wichtig für die Umsetzung des WIA sind eine regelmäßige Reflexion und Evaluation, um Erfolge zu erkennen oder ggf. nachzusteuern.
Fazit
Jede Institution kann und muss ihren Beitrag zu einer nachhaltigeren Gesellschaft leisten. Bildungseinrichtungen – von der Kita über die Schulen bis hin zu Universitäten, Volkshochschulen, Nichtregierungsorganisationen und anderen Trägern von (Weiter-)Bildung – haben dabei eine besondere Funktion, die es zu nutzen gilt: Sie sind Vorbild und Multiplikator für ein ökologisch, wirtschaftlich, sozial und politisch gerechtes Miteinander.
Weitere Infos
- Einen guten Überblick zum Vorgehen für einen Entwicklungsprozess hin zu einer nachhaltigen Institution sowie praktische Tools für erste Umsetzungsschritte bietet die Handreichung des Deutschen Volkshochschul Verbandes (2019):
Bildung für nachhaltige Entwicklung an Volkshochschulen
- Informationen zum WIA an Seminaren zur Lehrer/innenbildung – als Bindeglied zwischen Hochschulen und Schulen – finden Sie finden Sie beim EPIZ: Entwicklungspädagogisches Informationszentrum Reutlingen
Die Informationen beider Quellen können auf andere Institutionen übertragen werden.
Autor*innen:
Ulrike Lerche, ehemalige Bundeskoordinatorin Globales Lernen der agl
Mirja Buckbesch, Referentin für Globales Lernen in der vhs
Lina Niebling, Projektassistentin Globales Lernen in der vhs